Im Kampf gegen Wind und Sonne

Kletteraktion im Lummenfelsen. Foto: Lilo Tadday
Kletteraktion im Lummenfelsen. Foto: Lilo Tadday

Die Hände zittern, die Nase läuft. Mit 50 Stundenkilometern peitscht der Wind gegen die Kamera, Salzwassertropfen spritzen auf die Linse. Kalte Finger fischen ein Putztuch aus der Jackentasche und wischen das Objektiv trocken, zumindest für ein paar Augenblicke. Aber halt, ist das Stativ dabei verrückt? Auf dem Display, so groß wie eine Streichholzschachtel, waren die Kletterer eben noch mittig zu sehen, nun kraxeln sie aus dem Bild heraus. Haben sich die Lichtverhältnisse schon wieder geändert? Und der Ton, übersteuert er?

 

Es ist ein herrlicher Dezembertag auf der Nordsee, als die Bergung und Säuberung der Basstölpelnester am Helgoländer Lummenfelsen ansteht. Doch für uns vier Journalistinnen und Journalisten von der Hamburger Henri-Nannen-Schule bedeuten die Wind- und Lichtverhältnisse an diesem Tag Schwerstarbeit. Als Dokumentare begleiten wir die Expedition von GEO, Greenpeace und Jordsand auf die Insel und halten die Pionieraktion in Bild und Ton fest. Für uns der Höhepunkt des Jahres; die Monate zuvor wurden wir intensiv im Umgang mit Kameras und Schnittprogrammen ausgebildet. Jetzt steht der Ernstfall an. Im Sturm, einen Schritt vor der Klippe, mitten auf der Nordsee.

 

Die Aktion war lange vorbereitet. Bereits im November hatten wir einen Tagesausflug nach Helgoland unternommen, um bei einer Begehung die Drehmöglichkeiten dieser ungewöhnlichen Kulisse auszuloten. Nach der Rückkehr in unsere Hamburger Schulräume ging es an die Detailarbeit: Checklisten mussten erstellt, Drehbücher geschrieben, Aufgaben verteilt werden. Wir wussten: Einmal auf Helgoland, muss jeder Handgriff sitzen. Geht etwas schief, bekommen wir keine zweite Chance.

 

Also testeten wir die Funkstrecken unserer Mikrofone in den Häuserschluchten Hamburgs, gingen mit Helmkameras durch lichtarme Räume, probierten uns im Umgang mit einer 360-Grad-Kamera. Und warteten.

Während die Projektbeteiligten die letzten Details der Zusammenarbeit klärten, prüften wir täglich mit wachsender Sorge den Wetterbericht: Dezemberstürme pfiffen über die See, machten die Fährfahrt, vor allem aber das Abseilen am Lummenfelsen unmöglich. Sollte das Projekt so kurz vor dem Ziel noch scheitern?

Dann ein Hoffnungsschimmer: In der zweiten Dezemberwoche sollte der Wind abnehmen, ein Termin wurde festgelegt. Also machten wir uns als Trio – ein Teammitglied hatten wir mit Nasenbeinbruch zurücklassen müssen – auf den Weg. Über Cuxhaven zum Helgoländer Hafen, dann schwerbepackt rauf aufs Oberland. Mit dabei: Ralf Gantzhorn, unser Profi an der Kamera und geübter Kletterer. Und GEO-Expeditionsleiter Lars Abromeit, unser Mann in der Wand und Protagonist für den Film.

 

Am Ort des Geschehens verteilten wir uns auf unsere Posten: Während sich Gina Nicolini auf Lars Abromeit konzentrierte, verharrte Samuel Rieth auf dem Vorsprung gegenüber des Felsabschnitts, in dem sich die Kletterer abseilten, um die Aktion in der Totalen einzufangen. Als Springer stand Thilo Neumann bereit und pendelte an der Klippe hin und her, je nachdem, wo es gerade Reaktionen oder ungewöhnliche Motive einzusammeln gab. Ralf Gantzhorn seilte sich mit den Kletterern zusammen ab und hantierte seine Kamera 30 Meter über dem Meer, getragen von einem einzigen Seil.

 

Das Filmen am Lummenfelsen stellte uns vor große Herausforderungen. Der starke Wind erschwerte nicht nur das Stillhalten der Kameras, sondern machte auch eine stete Kontrolle der Tonqualität notwendig. Jede Böe konnte den gerade gesprochenen Satz übertönen; jeder Meter, den sich die Kletterer weiter abseilten, konnte die Funkverbindung zu Kletterer Lars Abromeit beenden. Auch das Licht änderte sich permanent, Wolken verdeckten die Sonne und zogen wieder weiter – stündlich prüften wir gegenseitig die Farbtemperatur unserer Aufnahmen.

Als das letzte Nest geborgen und abtransportiert war, setzte schließlich die Erschöpfung ein. Neun Stunden hinter der Kamera hinterließen ihre Spuren, auf die Konzentration folgte die Freude über den erfolgreichen Tag. Doch während sich die Kletterer nach dem Abbau ihrer Seile und Sicherungen an den wohlverdienten Feierabend machten, hatten wir erst die Hälfte unserer Arbeit verrichtet.

 

Zurück in Hamburg ging es, zusammen mit Rekonvaleszentin Astrid Hansen, in den Schneideraum. Knapp ein Dutzend Speicherkarten mit Filmmaterial mussten ausgewertet, die besten Sequenzen gefunden werden. Die Zeit lief, bis Weihnachten sollte das Werk vollendet sein. Rigoros selektierten wir die brauchbarsten Szenen für unsere Geschichte und machten uns, unter Einfluss von Pizza und Kaffee, bis tief in die Nacht an den Feinschnitt. Mit Erfolg: Am letzten Schultag des Jahres konnten wir erschöpft, aber zufrieden unsere Arbeit beenden.

Wir danken dem Verein Jordsand für die Unterstützung bei dem Projekt. Unser Ergebnis wurde Mitte März unter www.GEO.de veröffentlicht.

 

Text: Thilo Neumann

Kontakt

Verein Jordsand zum Schutz der Seevögel und der Natur e. V.

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22926 Ahrensburg

Tel.: 04102 32656

Email: info@jordsand.de


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