Bilder:Harro H. Müller, C. Grave, T. Fritz
Ahrensburg – Der Verein Jordsand zum Schutz der Seevögel und der Natur e.V. hat die Eiderente zum „Seevogel des Jahres 2019“ gewählt. Der Brutbestand dieser großen Meeresente ist in Europa
innerhalb der letzten 27 Jahre um mehr als 40 Prozent zurückgegangen, und auch die Zahlen überwinternder Eiderenten im Wattenmeer und an der Ostsee nehmen deutlich ab. „Dennoch ist der attraktive
Vogel in unseren Schutzgebieten an Nord- und Ostseeküste als Brut- und Rastvogel zu beobachten“, betont Ina Brüning, Geschäftsführerin des Vereins Jordsand. Besonders beeindruckend sei die
Zunahme der Brutpaare auf der Insel Greifswalder Oie bei Rügen, einem Schutzgebiet des Vereins Jordsand, wo die Zahl der brütenden Weibchen in den letzten zehn Jahren von Null auf zuletzt 36
angestiegen ist. „Ein echter Erfolg des Naturschutzes!“, so Brüning. Die Eiderente hat ihren Lebensraum weit verbreitet in den gemäßigten und insbesondere arktischen Breiten der nördlichen
Hemisphäre. Der globale Bestand umfasst etwa 3,3-4,0 Millionen Individuen, europaweit leben ca. 1,6-1,9 Millionen Eiderenten. In Deutschland brütet die Eiderente mit mehr als 95 Prozent des
Bestands hauptsächlich an der Nordseeküste, die Ostsee ist seit 1985 ebenfalls Brutgebiet. Außerdem beherbergt Deutschland mit mehr als 400.000 Individuen einen großen Anteil des Winterbestands
(40 Prozent der biogeografischen Population) und hat deshalb eine besondere Verantwortung zum Erhalt der Art. Der deutsche Brutbestand macht dagegen mit 1000-1400 Brutpaaren einen vergleichsweise
kleinen Anteil aus, in den Jordsand-Schutzgebieten gab es 2017 mindestens 235 Brutpaare. Übersetzt bedeutet der wissenschaftliche Name der Eiderente Somateria mollissima „die Allerweichste mit
dem schwarzen Körper“. An Land wirkt die Ente eher ungeschickt, ist aber ein guter Schwimmer und Taucher, bei ihren Tauchgängen nach Muscheln, Schnecken und Krebstierchen taucht sie gewöhnlich
bis zu einer Wassertiefe von sechs Metern, beobachtet wurden aber auch schon Tauchgänge bis zu 50 Meter.
„Die Eiderente ist einer Vielzahl von Bedrohungen ausgesetzt“, gibt Brüning zu Bedenken. „Und viele der Gefährdungen sind menschgemacht.“ In den Überwinterungsgebieten macht sich eine abnehmende
Nahrungsmenge und -qualität aufgrund des Klimawandels bemerkbar. So wird eine allgemeine Nahrungsverknappung beobachtet, etwa durch die Muschelfischerei, aber auch durch abnehmende
Nahrungsquantität und -qualität aufgrund des Klimawandels. In der Ostsee können warme Sommer – wie im letzten Jahr – zu Sauerstoffmangel führen und Muschelbestände reduzieren. Störungen, z.B.
durch Fischerei oder Freizeitaktivitäten halten die Tiere von der Nahrungssuche ab und verursachen höhere energetische Kosten durch Fluchtbewegungen. Lebensraum auf dem Meer geht verloren oder
bleibt nur noch eingeschränkt nutzbar, wo intensiver Schiffsverkehr, Rohstoffabbau und die Errichtung von Offshorebauwerken betrieben wird. Schleichende Verölung und Pestizide setzen die
Körperkonstitution herab oder führen direkt zum Tod. Auch auf anderen Wegen erleiden Eiderenten durch Menschenhand gewollt und ungewollt erhebliche direkte Verluste. In mehreren Ländern der
Ostsee werden Eiderenten weiterhin bejagt. So werden in Dänemark jährlich an die 50.000 Eiderenten geschossen. In den Stellnetzen der Fischerei, die auch in den deutschen Meeresgebieten in großer
Zahl gesetzt werden, ertrinken jährlich tausende von tauchenden Wasservögeln. Die häufigsten Opfer in der südwestlichen Ostsee: Eiderenten. „Vor dem Hintergrund der rückläufigen
Eiderentenpopulation in der Ostsee fordert der Verein Jordsand endlich wirkungsvolle Maßnahmen zur Begrenzung des Beifangs!“, so Brüning. Die Gefährdungen führen die den Eiderenten zu einer
reduzierten Fitness und erhöhter Mortalität, bis hin zu Massensterben. Auffällig und noch nicht abschließend geklärt ist die Abnahme des Anteils an Weibchen in den Populationen. Die Eiderente
wird auf der Roten Liste der IUCN (International Union for Conservation of Nature) auf der Vorwarnliste geführt. In der Ostsee gilt sie nach Einschätzung der HELCOM als gefährdet. Seit über
100 Jahren hat sich der Verein Jordsand dem Schutz von Seevögeln an unseren Küsten verschrieben. Er betreut über 20 Schutzgebiete vorwiegend an Nord- und Ostsee, von Helgoland über das
nordfriesische und hamburgische Wattenmeer, die Unterelbe, bis zur schleswig-holsteinischen und vorpommerschen Ostseeküste rund um Rügen. Zum mittlerweile sechsten Mal ernennt der Verein Jordsand
einen seiner Schützlinge zum Seevogel des Jahres. Nach dem Austernfischer (2014), der Brandseeschwalbe (2015), dem Basstölpel (2016), der Eisente (2017) und dem Sandregenpfeifer (2018) wurde auf
der jährlich stattfindenden Gremiensitzung nun die Eiderente zum Seevogel des kommenden Jahres bestimmt.
(Somateria mollissima)
Ordnung: Anseriformes - Entenvögel
Familie: Anatidae - Entenverwandte
Art: Eiderente (Somateria mollissima)
Verbreitung: nördliche Küsten von Europa, Nordamerika und Ostsibirien vor. Brutgebiet von der Arktis bis in die gemäßigten Klimazonen.
Lebensraum: Die große Meeresente kommt an den Küsten der Arktis und in den gemäßigten Breiten vor, sowohl im Atlantik als auch im Pazifik. Sie brütet vor allem mit mehreren 10.000 Paaren auf
Island und an der Ostsee. In Deutschland brüten ca. 1000 Brutpaare auf den Nordseeinseln, in der Ostsee hingegen nur wenige hundert. Auf bzw. nahe den Inseln Helgoland, Amrum und Borkum kann man
Gruppen von Küken als „Kindergärten“ sehen.
Im Sommer und Herbst kommen ein paar 100.000 Eiderenten zur Mauser aus dem Ostseeraum ins Watt. Im Winter können große Trupps im Wattenmeer und in der westlichen Ostsee (Kieler Bucht, Fehmarn),
auch küstennah beobachtet werden, ebenso rund um die Greifswalder Oie.
Bestand: Birdlife International schätzt den Gesamtbestand der Eiderente auf 3,3 bis 4,0 Millionen Tiere, die IUCN führt die Art mit einer Vorwarnung auf der Roten Liste.
Kennzeichen: Körperlänge von durchschnittlich 58 Zentimetern, Körpergewicht von 2,2 Kilogramm. Aufgrund der hohen Schnabelwurzel, die direkt in die Stirn übergeht, wirkt der Kopf der Eiderente
keilförmig. Im Flugbild von kräftiger Gestalt, an dickem und kurzem Hals sowie der auffallenden Kopfform deutlich zu erkennen.
Brutkleid des männlichen Vogels am Rücken und an der Brust überwiegend weiß. An der Brust ist das Gefieder leicht rosafarben überhaucht. Der Bauch, die Flanken, die Bürzelmitte, der Schwanz, die
Ober- und Unterschwanzdecke sowie die KopfOberseite sind schwarz gefiedert. Am Nacken ist das Gefieder dagegen hell moosgrün. Die Nackenfedern sind leicht verlängert, so dass sie eine kleine
Holle bilden. Der Schnabel des Erpels ist beim Prachtkleid gelbgrün, ansonsten blaugrau bis grüngrau. Als Ruhekleid trägt das Männchen dagegen ein dunkelbraunes Gefieder, das stellenweise mit
weißen Gefiederpartien durchsetzt ist.
Das Weibchen trägt während des gesamten Jahres ein unauffällig dunkel- bis gelblichbraunes Gefieder, durch das sich am Körper dichte schwarze Gefiederbänder ziehen. Hals und Kopf sind dagegen
stärker einfarbig braun. Der Schnabel der Eiderente ist beim Erpel grünlich gefärbt, der der weiblichen Eiderente ist dunkelgrün.
Jungvögel beider Geschlechter gleichen in ihrer Gefiederfärbung den Weibchen. Sie sind jedoch etwas dunkler in ihrer Gefiederfarbe und weniger stark gebändert. Junge Erpel tragen das voll
ausgebildete Prachtkleid des Männchens im 3. oder 4. Lebensjahr.
Brut: Der Schwerpunkt des Brutgebietes der Eiderenten liegt auf Island, wo etwa 450.000 Paare brüten, sowie an der Ostsee, wo sich bis zu 600.000 Paare zur Brut versammeln.
Alter/Sterblichkeit: 15 Jahre
Nahrung: Muscheln, Schnecken, Larven, Krebstiere
Gefahren: Greifvögel, Fuchs, Möwen, Mensch
Schutzstatus: IUCN Red List: potentiell gefährdet. HELCOM: Brut gefährdet; Rast stark gefährdet. Grund: Populationsrückgang seit den 90er -Jahren, in den wichtigsten Brutgebieten um bis zu 39% in
15 Jahren. Insgesamt wird der Rückgang innerhalb von drei Generationen (21 Jahre) auf über 30% geschätzt. Die Zahlen der Rastvögel insgesamt sind bis zu 61% zurückgegangen (1993–2014; 21 Jahre,
HELCOM Red List of Breeding Birds, HELCOM 2012), die Zahlen in den Jahren 1991 bis 2000 zeigten einen starken Rückgang, anschließend stiegen die Bestandszahlen im Ostseeraum zwischen 2000–2009,
während sie im Wattenmeerraum sanken.