Nachfolgend finden Sie ausführliche Informationen zu unserem Forschungsprojekt "Basstölpel & Meeresmüll":

 

Relevanz des Themas und Fragestellung des Projekts

Der Anteil an anthropogenem Meeresmüll hat in den letzten Jahrzehnten stark zugenommen. Müllablagerungen sind inzwischen in allen Weltmeeren und dort sowohl an der Meeresoberfläche als auch an Küstenabschnitten und auf dem Meeresboden zu finden. Die gesamte Plastikmüllmenge in den marinen Ökosystemen beträgt dabei schätzungsweise zwischen 65 und 150 Millionen Tonnen, was ca. 95% der gesamten anthropogenen Meeresmüllmenge darstellt. Es kann davon ausgegangen werden, dass bei der weiterhin steigenden Kunststoffproduktion auch der Eintrag von Plastikmüll in die Weltmeere stetig zunehmen wird.

 

Inzwischen landen jährlich zwischen 4,8 und 12,7 Millionen Tonnen Plastikmüll im Meer, was zu schwerwiegenden Folgen in den marinen Ökosystemen und bei den dort lebenden Tierarten führen kann. Größere Plastikteile, wie Stricke oder Verpackungs- und Netzreste, haben oft tödliche Auswirkungen auf Meereslebewesen wie Säugetiere, Fische oder Vögel, die sich in den Rückständen verfangen und qualvoll sterben.

 

Die Konsequenzen der Verstrickung in Plastikmüll auf Populationsebene werden vielfach unterschätzt. In Plastik verstrickte Tiere verenden häufig auf hoher See, wobei nur ein geringer Teil dieser Individuen an Land gespült wird. Die Auswirkungen auf Einzelindividuen sind dabei ausreichend gut dokumentiert, Auswirkungen auf Populationsebene (ist der Fortbestand einer Art durch den Meeresmüll bedroht?) bei Seevögeln fehlen jedoch weitestgehend. Ebenso gibt es kaum Erkenntnisse darüber, wo der als Nistmaterial benutzte Plastikmüll herkommt bzw. welchen Industriesparten er zugeordnet werden kann.

 

Aus diesem Grund sollen in diesem Projekt die Herkunft von Makroplastik in den Nestern sowie dessen Auswirkungen auf Seevögel der Deutschen Bucht (Nordsee) untersucht werden. Größere Seevögel, wie Tölpel, Sturmvögel oder Möwen reagieren sehr sensibel auf Veränderungen der Sterblichkeitsrate von adulten Tieren. Diese Sensitivität ist vor allem durch die Fortpflanzungsstrategie der Vögel bestimmt. Auf Grund von geringen Fortpflanzungsraten bei einer hohen Lebenserwartung können sich die Populationen nur langsam an sich ändernde Lebensraumveränderungen anpassen. Plastikmüll hat somit ein hohes Risikopotential für Seevogelpopulationen.

 

Untersuchungsgebiet für das Projekt ist das Naturschutzgebiet „Lummenfelsen“ auf der Insel Helgoland. Die dortigen Kolonien umfassen die einzigen deutschen Brutplätze der Hochseevögel Basstölpel (Morus bassanus), Trottellumme (Uria aalge), Tordalk (Alca torda), Eissturmvogel (Fulmarus glacialis) und Dreizehenmöwe (Rissa tridactyla). Der Schwerpunkt dieser Arbeit liegt auf dem Basstölpel, welcher aktiv künstliches Nistmaterial in seine Nester einträgt. Dies hat negative Auswirkungen auf die Sterblichkeit durch Verstrickung der Basstölpel aber auch der anderen Brutvogelarten des Naturschutzgebietes, da diese sich ebenfalls in den Plastikrückständen verfangen und verenden.

 

Auf Grund der aktuellen Problematik von Plastikmüll in Seevogelnestern wird diese Arbeit durch das Forschungs- und Technologiezentrum Westküste (FTZ) der Universität Kiel, das Alfred-Wegener-Institut (AWI) und das Institut für Vogelforschung „Vogelwarte Helgoland“ (Wilhelmshaven) begleitet und unterstützt.

 

Vorgehensweise und Methoden

Im Detail möchte ich in diesem Projekt das Ausmaß, den Zeitraum des Eintrages und die Herkunft des Plastikmülls in der Kolonie sowie dessen Auswirkungen auf Populationsebene untersuchen. Ein zweiter Schwerpunkt liegt in der chemischen Analyse der gefundenen Plastikteile in den Nestern. Dies ist wichtig um den Meeresmüll ggf. Industriesparten zuordnen zu können und die jeweiligen Anwendungsgebiete festzustellen. Weiterhin soll ein System zur Quantifizierung der Kontamination der Vogelnester mit Plastikmüll entwickelt werden, um die Sensitivität verschiedener Seevogelarten auf Plastikmüll miteinander vergleichen zu können. Die Ergebnisse dieser Arbeit sollen dazu führen, die Verursacher des Plastikeintrags in die Nester zu identifizieren und damit Politik, Wirtschaft und Naturschutz zur Entwicklung alternativer Materialien anzuregen. Zusätzlich soll durch projektspezifische Flyer, Infotafeln, Öffentlichkeitsarbeit und der Entwicklung von Lehrmaterial sowie dem Besuch von Tagungen und Diskussionsrunden die Ergebnisse schon während der Feldarbeiten vorgestellt werden. Im Folgenden werden die geplanten Arbeitsschritte im Detail vorgestellt:

 

Zeitliche & räumliche Aspekte des Plastikeintrages

Bis jetzt gibt keine quantitativen Erfassungen, welche Zeitpunkt und Zeitraum des Eintrags von Seevogelnestern behandeln. Durch tägliche Beobachtungen und den Einsatz von Wildkameras soll an ausgewählten Nestern die Entwicklung dokumentiert werden um ein besseres Verständnis dafür zu erlangen, in welcher Zeit der Brutphase Plastikmüll eingetragen wird. Ebenso gibt es bis jetzt noch keine Erhebungen, ob Basstölpel gezielt bestimmte Seegebiete zur Beschaffung von künstlichem Nistmaterial aufsuchen oder ob das Nistmaterial zufällig gesammelt wird. Aus diesem Grund sollen ausgewählte Tiere mit räumlich hochaufgelösten GPS-Sendern ausgestattet werden. Ziel ist es, Nutzungsmuster bei der Nistmaterialsuche zu erkennen. Anhand der möglichen Nutzungsmuster werden anschließend bei einer Forschungsausfahrt aktiv Makroplastikproben in den von den Vögeln genutzten Gebieten entnommen, um zu prüfen, wie hoch der Anteil von künstlichem Nistmaterial an der gesamten Müllmenge im Meer ist.

 

Verstrickungsraten und Populationsmodell

Um Folgen für die Populationsentwicklung abschätzen zu können, möchte ich neben dem Verständnis für den Eintrag des Plastikmülls die Verstrickungsraten, d. h. wie viele Individuen erhängen sich im Felsen, ganzjährig über ca. zwei Jahre erfassen. Basstölpel und Trottellummen verstricken sich im künstlichen Nistmaterial und verenden in den meisten Fällen, da sie sich nicht aus den Plastikrückständen befreien können. Bei der regelmäßigen Erfassung sollen verschiedene Aspekte wie die Gesamtanzahl betroffener Individuen, die Vogelart, das Alter, die Art des Kunststoffs, betroffene Körperteile (Verstrickung an Fuß, Kopf, Flügel, etc.) berücksichtigt werden. Anhand verschiedener Parameter soll begleitend ein Populationsmodell entwickelt werden, um sich ein Bild darüber zu machen, in welchem Maße der Plastikmüll einen Einfluss auf die Populationen am Lummenfelsen hat, da die Auswirkungen von Plastikmüll als Nistmaterial auf Seevogelpopulationen kaum bekannt sind.

 

Bestimmung der Nestkontamination

Bis jetzt gibt es keine Möglichkeit, relativ schnell und anhand von Nestbeobachtungen eine Aussage darüber zu treffen, wie stark kontaminiert ein Nest oder die Nester einer Population mit Plastikmüll ist/sind. Aus diesem Grund möchte ich ein Scoring-System entwickeln, welches es ermöglicht, das Ausmaß des Einbaus von Kunststoffen als Nistmaterial zwischen verschiedenen Seevogelarten zu vergleichen. Ziel ist es, eine Kategorisierung (z. B. keine, leichte, mittlere, schwere Verschmutzung) der Kontamination anhand von visuellen Merkmalen vorzunehmen, so dass diese anhand von Fotos und über ein breites Artenspektrum anwendbar sind. Hierzu müssen verschiedene Parameter im Feld entwickelt und anschließend auf ihre Tauglichkeit geprüft werden (z. B. möglichst identische und ähnliche Fotos, Farbwertanalyse zur Differenzierung von natürlichem Nistmaterial). Anschließend müssen die Parameter geprüft und Schwellenwerte festgelegt werden.

 

Analyse zur Herkunft des künstlichen Nistmaterials

Sieben im Dezember 2015 entfernte Basstölpelnester (ca. 10kg künstliches Nistmaterial) sollen im Detail auf ihre Zusammensetzung untersucht werden. Dafür soll das extrahierte Plastik sortiert und durch eine visuelle Charakterisierung in Kategorien eingeteilt werden (z. B. Seile/Stricke aus synthetischen Fasern, Fischereinetze, Verpackungsmaterial, andere Plastikrückstände). Chemische Analysen zur Zusammensetzung des Plastikmülls in Seevogelnestern wurden bis jetzt noch nicht durchgeführt. Um jedoch Rückschlüsse ziehen zu können, woher der Plastikmüll in den Nestern stammt, ist es von hoher Bedeutung, die Plastikrückstände zu analysieren und mit entsprechenden, neuwertigen Materialien aus der Industrie zu vergleichen. Aus diesem Grund soll das Material anhand ATR-Spektroskopie und Farbwertanalysen chemisch analysiert werden.

 

Handlungsempfehlungen

Die Ergebnisse der oben beschriebenen, erstmaligen und innovativen Untersuchungen sollen zu einem besseren Verständnis der Art und Weise des Einbaus von Kunststoffen in Seevogelnestern und deren Auswirkungen auf die Population führen sowie die Herkunft des genutzten künstlichen Nistmaterials bestimmen. Am Helgoländer Felsen ist auf Grund seiner Zusammensetzung aus Buntsandstein weder ein aktives Abtragen des Plastikmülls aus den Nestern noch eine Rettung der verstrickten Vögel möglich. Die einzige Möglichkeit zur Verbesserung der Situation ist eine starke Verringerung des Eintrags von Plastikmüll in die Nordsee. Wenn die Herkunft des von den Basstölpeln genutzten Plastikmülls und damit die Quellen der Kontamination bestimmt sind, können daraus Forderungen oder Handlungsempfehlungen abgeleitet werden, in diesen Bereichen alternative Materialien einzusetzen. Die langfristigen Folgen eines reduzierten Mülleintrags in die Nordsee führen letztendlich auch zu einer Reduzierung der Nestkontamination und zu einer verringerten Sterblichkeitsrate durch Verstrickung. Durch die Entwicklung von projektspezifischen Flyern, Informationstafeln, der Organisation von Vorträgen, dem Besuch von Tagungen und der Entwicklung von Lehrmaterial soll das Thema begleitend zu den Untersuchungen der Öffentlichkeit erlebbar und zugänglich gemacht werden.


Kontakt

Verein Jordsand zum Schutz der Seevögel und der Natur e. V.

Bornkampsweg 35

22926 Ahrensburg

Tel.: 04102 32656

Email: info@jordsand.de


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