Der Verein Jordsand zum Schutz der Seevögel und der Natur e.V. bekommt jedes Jahr mehrere FÖJ’ler*innen, die in der Geschäftsstelle und in den Schutzgebieten mitarbeiten. Ein FÖJ ist ein Freiwilliges Ökologisches Jahr und gibt jungen Menschen in Deutschland die Möglichkeit ein Jahr lang einer Tätigkeit im Bereich der ökologischen Nachhaltigkeit nachzugehen.
Die meisten FÖJ’ler*innen des Verein Jordsands arbeiten täglich im praktischen Naturschutz in den Schutzgebieten, die der Verein betreut. Die zwei FÖJ’lerinnen, die im Haus der Natur, der Geschäftsstelle des Vereins, arbeiten, erleben dort überwiegend den Büroalltag, welcher rund um die Verwaltung des gemeinnützigen Vereins entsteht, betreuen eine Ausstellung, bieten Naturprogramme für Kindergarten- und Grundschulkinder an, versorgen die am Haus der Natur gehaltenen Tiere und stellen den Verein auf regionalen Veranstaltungen und für die Besucher*innen der Ausstellung vor. Dadurch ist das FÖJ hier ausgesprochen vielseitig. Aber die Schutzgebiete, die den Interessierten immer wieder auf der Karte gezeigt werden, sind weit weg. Ebenso der praktische, angewandte Naturschutz.
Aber wer ein FÖJ bei einem Naturschutzverein macht, der kommt auch in den Genuss diesen in den Naturschutzgebieten zu erleben. Das gilt glücklicherweise auch, wenn man normalerweise im Büro in Ahrensburg ist. Und im Oktober war es auch schon so weit: Ich durfte für eine Woche meine Mit-FÖJ’ler im Naturschutzgebiet Hauke-Haien-Koog begleiten.
An einem Montagvormittag bin ich am Haus der FÖJ’ler vom Hauke-Haien Koog angekommen. Nach dem Wiedersehen mit Morten lernte ich auch die zwei Praktikanten kennen. Das Haus wurde mir im schnelldurchlauf gezeigt, damit mehr Zeit war, um mir das Naturschutzgebiet und die Vögel zu zeigen. Schon bei der Anreise konnten wir Kiebitze auf den Wiesen, Brandgänse im Koog und Möwen in der Luft sehen. In Ahrensburg kommen diese Vogelarten, mit gelegentlicher Ausnahme von Lachmöwen, nicht vor. Entsprechend groß war meine Begeisterung, als ich zum ersten Mal mit dem Spektiv auf dem Deich saß und es auf das Nordbecken richtete. Den Umgang mit dem Spektiv lernt man als FÖJ’ler*in beim Verein Jordsand zwar, aber in Ahrensburg kommt man nicht allzu oft zum üben, weshalb ich das Sitzen auf dem Deich mit dem Spektiv schon so sehr aufregend fand. Hinzu kam, dass ich unglaublich viele Vogelarten zum ersten Mal in meinem Leben sah. Besonders toll fand ich die großen Schwärme von Alpenstrandläufern, welche ausgesprochen niedlich sind und auf den Postkarten im Haus der Natur viel größer aussehen, als sie tatsächlich sind, die Austernfischer, die als Wappentier des Verein Jordsands natürlich besonders interessant sind und die vielen verschiedenen Enten- und Gänsearten. Aber ich konnte mich auch über einige in Ahrensburg bekannte Arten freuen. Darunter waren zum Beispiel Blässhühner, Graureiher, Kormorane und die obligatorischen Stockenten. Die Löffler hatten wir um wenige Tage verpasst.
Als wir auf dem Deich saßen und man mich mit den vorkommenden Vogelarten bekannt machte, war Flut. Das Wetter war gut und man konnte die Halligen am Horizont sehen. Im Haus der Natur gibt es ein Hallig-Panorama, das so aussieht, als würde man von Schlüttsiel aus auf die Nordsee gucken, so wie ich es in dem Moment tat.
Das Naturschutzgebiet Hauke-Haien-Koog kam mir sehr groß vor. Die Massen an dort rastenden Vögeln riesig. Der Deich endlos. Und dann ist da ja auch noch die Nordsee. Am Abend wurde mir das Naturschutzgebiet dann nochmal vom Fahrrad aus gezeigt. Das Haus der FÖJ’ler befindet sich relativ mittig, von dort aus kann man auf der Straße direkt neben dem Deich entweder zum Nordbecken oder zum Südbecken fahren. Die Wiesen waren voll mit Kiebitzen und Schafen und der Uferbereich war so dicht mit Brandgänsen besetzt, dass man an einigen Stellen den Boden nicht sehen konnte.
Nach der gefühlt endlosen Weite draußen kam der Ausstellungsturm „Watt’n Blick“ mir erst etwas klein vor. Aber die Ausstellung ist voll von Informationen, die ich mir allerdings am ersten Tag noch nicht aneignen konnte. Die FÖJ’ler und Praktikanten machen hier zweimal am Tag eine sogenannte Turmschicht.
Warum wollte ich unbedingt an den Hauke-Haien Koog?
Am Anfang dieses Berichts schrieb ich davon, warum ich im Hauke-Haien Koog gelandet bin. An dieser Stelle möchte ich kurz hinzufügen, warum ich unbedingt in den Hauke-Haien Koog wollte. Vor meinem FÖJ war Ornithologie nicht so wirklich mein tägliches Brot. (Eigentlich war Ornithologie überhaupt nie mein Brot.) Aber ich war mir sicher, dass ich während meines FÖJs irgendwann eine gewisse Affinität zu Vögeln entwickeln würde. Die Begeisterung kam dann schneller, als ich selbst erwartet hatte, und zwar am zweiten Tag meiner Einarbeitungswoche im Haus der Natur. Das war in der letzten Juliwoche dieses Jahres.
Seit besagtem Tag bin ich nun also dabei, mir bei jeder Möglichkeit die sich bietet, Wissen über Vögel anzuhäufen. Da der Verein Jordsand den Fokus auf Seevögel legt, wie unschwer am Namen zu erkennen sein dürfte, ich aber aufgrund der lokalen Gegebenheiten meiner Einsatzstelle überwiegend in Kontakt mit Singvögeln bin, war ein Besuch im Hauke-Haien Koog eine großartige Möglichkeit, meinen Horizont zu erweitern.
Manchmal fahre ich mit zu den Hoisdorfer Teichen, das ist ein Schutzgebiet in der Nähe von Ahrensburg. Hier wurde ich auf Vogelzählungen vorbereitet, bei denen man um die Ecke guckt und sich auf einmal mit einer Ansammlung von gefühlt einer Million Blässhühnern konfrontiert sieht. Es waren natürlich nicht eine Million Blässhühner, aber ich hatte wie gesagt keine Erfahrungen auf diesem Gebiet. Herauszufinden, wie viele Blässhühner es denn nun wirklich waren, hat mir eine große Freude bereitet, weshalb ich es kaum noch erwarten konnte, im Hauke-Haien-Koog an einer Springtidenzählung teilzunehmen.
Zur weiteren Vorbereitung und um im Hauke-Haien Koog möglichst viel mithelfen zu können, habe ich zudem mit unseren Vogelbestimmungsbüchern, Präperaten und Postern geübt, einige Enten-, Gänse-, Möwen- und Limikolenarten zu bestimmen.
Abgesehen davon kannte ich die FÖJ’ler des Hauke-Haien-Koogs, Morten und Ann-Christin, von unserem Einführungsseminar und habe mich total darauf gefreut, die beiden wiederzusehen.
Highlights meiner Tätigkeiten im Hauke-Haien Koog
Am Dienstag haben wir eine Plane, die beim Norderoog Workcamp verwendet wurde gesäubert. Dabei habe ich außerdem eine kleine Einführung ins Knoten bekommen. Außerdem haben wir, wie am Montag auch, eine kleine Fahrradtour durch das Gebiet gemacht. Gegen Abend habe ich Morten zur Turmschicht begleitet. Nachdem ich mir die Ausstellung genau angeguckt hatte, begann das Highlight des Dienstages. Über der Nordsee ging die Sonne unter. Nachdem die Sonne den Hafen von Schlüttsiel und den Deich mit warmem, orangenem Licht getränkt hatte, ließ sie sich langsam am Horizont, hinter den Halligen ins Wasser fallen. Die ganze Welt leuchtet und es ist wunderschön. Man kann die Gänse und die Möwen hören. Wenn die Sonne bereits weg ist, ist das Farbspektakel am Himmel trotzdem nicht vorbei. Irgendwann löst ein sternenbesetzter Nachthimmel es ab.
Am Mittwoch wurde die Springtidenzählung durchgeführt. Stefan Wolff aus der Regionalstelle Husum hat uns dabei begleitet um uns zu unterstützen. Ich hatte mittlerweile eine grobe Ahnung von der Größe des Gebietes, in dem gezählt wird und von der Masse an Vögeln, die uns erwartete. Ich war daher etwas aufgeregt. Gezählt wird vom Deich aus. Die verschiedenen Arten werden auf die Beteiligten aufgeteilt. Obwohl ich die meisten Entenarten recht sicher bestimmen kann, habe ich mich für das Zählen der Stockenten, Kormorane und Reiher gemeldet. Diese Arten kommen in Ahrensburg regelmäßig vor und alles andere wäre mir in dem Moment zu aufregend gewesen. Nach einigen Zählstopps habe ich außerdem die Krickenten, die zuvor Morten gezählt hatte, dazu bekommen, weil er wesentlich mehr Arten zählen musste, als ich. Da schönes Wetter war, waren relativ viele Greifvögel unterwegs, die manchmal ganze Vogelschwärme, im Idealfall bereits durchgezählt, aufgescheucht haben. Die Springtidenzählung hat an dem Tag ungefähr fünf Stunden gedauert. Als ich am Abend im Bett lag und die Augen zugemacht habe, habe ich Enten und Gänse gesehen.
Am Donnerstag haben die Praktikanten mich mit zu der Wattwanderung von Dagebüll nach Oland genommen. Das war meine erste leibhaftige Berührung mit dem schleswig-holsteinischen Wattenmeer. Gegen Abend durfte ich Morten beim Spülsaummonitoring begleiten. Wir haben im Spülsaum einige Dollyropes gefunden. Diese sind Abfallprodukte der Fischerei und Todesfallen für Seevögel. Naturschutz fühlt sich gut an, wenn links neben dir das Meer, rechts der Deich, über dir die Möwen sind und dein Gepäckträger voll mit Müll ist. Auf einer Lahnung saß eine Gruppe Austernfischer, die nicht aufgeflogen ist, als wir an ihnen vorbei geradelt sind.
Am Freitag bin ich leider schon abgereist.
Feldornithologische Highlights
Ich habe jeden Tag Nachhilfe in der Bestimmung der regionalvorkommenden Arten erhalten, was impliziert, dass ich jeden Tag verschiedene Vögel sehen durfte. Die meisten davon zum ersten Mal. Nach jedem Abendessen habe ich aufgeschrieben, welche Vögel ich am jeweiligen Tag gesehen habe. Außerdem haben meine Gastgeber große Geduld dabei bewiesen, mich mit dem Spektiv vertraut zu machen. Bei der Springtidenzählung habe ich zum ersten Mal eine Zähluhr verwendet und zwei Arten über längeren Zeitraum gleichzeitig gezählt. Wenn ich einen Vogel mit dem Spektiv beobachtet habe, den ich vorher noch nie gesehen hatte und es dann geschafft habe, ihn trotzdem zu bestimmen, habe ich mich jedes Mal riesig gefreut. Außerdem habe ich mich in Krickenten verliebt. Die sind wirklich total faszinierend.
Abschließend lässt sich sagen, dass ich aus meiner Zeit im Hauke-Haien Koog viel mitnehmen konnte. Meine Erwartungen wurden bei weitem übertroffen und ich hatte eine tolle und lehrreiche Zeit.
An dieser Stelle möchte ich nochmal ein großes Dankeschön für ihre Gastfreundschaft an Morten und Ann-Christin loswerden!