Die deutschen Nordseeinseln dürfen weiterhin nicht betreten werden. Auch Helgoland ist weiterhin für Besucher*innen vom Festland nicht betretbar. Umgekehrt können Helgoländer*innen nicht in Ihrer Freizeit ans Festland.
1,7 km² Helgoland lagen selten so weit draußen hinter dem Ereignishorizont verborgen. Dienstags, Donnerstags ein Schiff von Cuxhaven, keine Besucher, leere breite Straßen. Sogar der Lärm der Baustellen verhallt, die Arbeiter kommen nicht mehr. Dünenfähre fährt auf Zuruf, Menschen, die sich grüßend aus dem Weg gehen, die Gespräche sind kurz und austauschbar in ihrer thematischen Eintönigkeit. Die Welt dreht sich weiter, vollkommen unbeeindruckt, glücklicherweise. Der Lummenfelsen vibriert vor lauter Lebendigkeit, flirrende, kreischende, jauchzende, keifende Laute wirbeln im Wind, wenn Tölpel, Alken und Dreizehenmöwen durch die Luft jagen in ihrer ungebändigten Wildheit. Auf der Düne tummeln sich Robben auf menschenleeren weißen Stränden, Heringsmöwen laufen durch die Dünen ihrer Kolonie und hinterlassen die einzigen Fußspuren im Sand. Der Herzschlag der Wildnis bestimmt unsere Arbeit: am Spülsaum der Dünenstrände zählen wir Kegelrobben und Seehunde und hoch über dem tosenden Meer verfolgen wir den Nestbau der Basstölpel, zählen Klippenbrüter und die Opfer gefährlicher Plastikstricke im Felsen. Und natürlich bleibt die Zeit für Büroarbeit, für Texte, Tabellen, Karten und Kalkulationen. Es gibt tausend trostlosere Arten, den Tag zu verbringen, denn der Zauber der Insel ist ungebrochen.
Nils Conradt, BFDler auf Helgoland (im April 2020)