Landunter auf Norderoog

Ich gebe es ja zu: Ein bisschen unfair ist es ja schon, dass ich bereits nach genau zwei Wochen meines Daseins auf Norderoog das erste Landunter erleben durfte – während andere Freiwillige z.B. auf den Halligen Hooge und Langeneß schon seit letztem Sommer hier an der Küste sind und immer noch nicht in den Genuss eines Landunters gekommen sind. Schade – aber auch ein anschauliches Beispiel dafür, welch großen Effekt selbst ein vergleichsweise kleiner Sommerdeich wie z.B. auf Hooge haben kann.

 

Norderoog hingegen hat lediglich an der Westkante eine kleine Steinaufwallung aus Schlackesteinen, die errichtet wurde, um dem (weiteren) Abtrag der wind- und wetterzugewandten Seite dieses Eilands entgegen zu wirken. Ansonsten besitzt die Hallig außer den sich ringsherum befindenden Lahnungen keine festen baulichen Strukturen, die die Einflüsse der Gezeiten abschwächen könnten. Mal abgesehen von der Wellenbrecherkraft des Norderoogsands, der gerade in den letzten Monaten immer näher an die Hallig heranrückt und somit auch einen großen Einfluss auf die Wattbereiche und die Strömungsverhältnisse um die Hallig herum hat. Aber dazu mehr in einem der nächsten Blog-Einträge.

 

Entsprechend schnell jedenfalls kommt das Wasser näher an die Halligkante heran, wenn das Hochwasser mal ein paar Zentimeter höher aufläuft als normal. Und bereits ab ca. +1 m über dem MHTW (mittleres Tidehochwasser) sind bereits große Teile Norderoogs unter Wasser und nur noch die etwas höher gelegenen Bereiche im Nordosten gucken aus den Fluten heraus. „Höher gelegen“ ist auch hier mit Vorsicht zu genießen, denn wirklich hoch sind diese Bereiche mit ca. 2 Metern über dem MHTW auch nicht.

 

So geschah es am Ostermontag, dass in Folge tagelangen starken Windes sowohl das Vormittags- als auch das Abendhochwasser höher ausfielen als sonst. Zwar blieb die Hallig vormittags noch trocken, aber schon das Niedrigwasser am Mittag ließ erahnen, dass das Wasser am Abend einen Osterausflug auf die Hallig machen wird. Zur Ebbe lief das Wasser nämlich nur halb so weit ab wie üblich und bereits zwei Stunden vor Hochwasser waren die Lahnungsfelder schon gut mit Wasser gefüllt.

Wie es dann weiter auflief, könnt Ihr sehr gut im geposteten Zeitraffer-Video sehen. Sehr schnell lief dann auch die Hallig „von innen“ über die zwei Halligpriele voll und in kürzester Zeit schauten nur noch die oben beschriebenen höheren Bereiche heraus. Der ohnehin beständig starke Wind aus Nordwest wurde dann kurz vor Hochwasser nochmal stärker und staute das Wasser nochmal spürbar um einige Zentimeter auf, sodass am Ende das Wasser ca. 1,10 m höher als das MHTW auflief und sogar handtief unter beiden Stelzenhütten stand, die damit mal wieder ihre Funktion erfüllten.

Zur gleichen Zeit ging im Westen die Sonne im schönsten Abendlicht unter und sorgte so für eine recht bizarre Stimmung: Denn während ich diese herrliche Stimmung mit der Nordsee vor den Füßen und dem Salzwind in der Nase genoss, fanden das die auf der Hallig bereits brütenden Graugänse so gar nicht amüsant und machten ihrem Ärger lautstark Luft. Zurecht – denn alle Bereiche, in denen die gut 30 Graugans-Paare bereits fleißig mit dem Bebrüten ihrer Eier beschäftigt waren, wurden an diesem Abend überflutet und zwangen die Gänse dazu, ihre Nester zu verlassen. Ich möchte es mir an dieser Stelle nicht herausnehmen, das Sprachrohr der Graugänse zu sein und zu behaupten, dass das alles ja doch nur halb so wild war, wie es erst aussah, aber der Schaden an den Gelegen fiel doch geringer aus, als zuerst angenommen. Glücklicherweise waren bis zu diesem Zeitpunkt nämlich noch keine Küken geschlüpft, zumindest konnte ich von den Hütten aus bisher keine Graugans-Küken herumstolpern sehen. Ein Großteil der Gelege wurde zudem „nur“ nass, wurde aber nicht weggespült und bereits am nächsten Morgen saßen die ersten Gänse wieder auf ihren Gelegen. Der andere Teil der Gänse, der tatsächlich Gelege-Verluste einfahren musste, ist seitdem aber bereits fleißig am Planen und Durchführen der zweiten Brut.

Und überhaupt: Soweit sich Landunter dieser Art nicht gerade zur Hauptbrutzeit ereignen – und ich hoffe sehr, Euch im Juni keine Blog-Ausgabe zur „Kükenflut“ schreiben zu müssen – sind sie gerade in Zeiten des Meeresspiegelanstiegs enorm wichtig für die Halligen. Was paradox klingen mag erscheint logisch, wenn man nur bedenkt, dass mit jedem Landunter und v.a. durch das zu solchen Zeiten aufgewirbelte Wasser große Mengen an Sediment auf die Hallig gebracht werden und ein natürliches Aufwachsen der Hallig herbeiführen. (Auf Norderoog geschieht dies mindestens 10 mal pro Jahr.) Zwar sagen aktuelle Berechnungen voraus, dass dieses Aufwachsen leider nicht ganz so schnell vonstattengeht, wie der Meeresspiegel in der Nordsee steigt, aber es hilft immerhin, Zeit zu gewinnen und die Hallig zu festigen – sofern der Wellengang nicht zu stark ist und (exponierte) Bereiche der Hallig erodiert oder Lahnungsfelder zerstört werden.

 

Das Landunter vom Ostermontag war aber vergleichsweise ruhig und stellte vorerst hoffentlich das letzte starke Hochwasserereignis dar, bevor in wenigen Wochen u.a. Lachmöwen und Brandseeschwalben mit ihrer Brut beginnen. Dazu dann in einer der nächsten Ausgaben mehr.

 

Viele Grüße von Norderoog & bleibt gesund, Euer Sebastian

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