An der Nordseeküste breitet sich die Vogelgrippe (Typ H5N1) unter Wildvögeln immer weiter aus. Mittlerweile sind nach Angaben des Vereins Jordsand im gesamten deutschen Wattenmeer von Niedersachsen bis zur dänischen Grenze Seevogelkolonien stark betroffen. „Der drohenden Artenverlust durch die Vogelgrippe verursacht auch hohe gesellschaftliche Kosten. Die Politik muss daher dringend gemeinsam mit der Wissenschaft und den Naturschutzverbänden herausfinden, wie das Virus immer wieder von neuem in Wildvogelbestände eingebracht wird. Sollte es sich nicht um ein Naturphänomen handeln, sondern durch Menschen verursacht sein, müssen die Verantwortlichen nach dem Verursacherprinzip zur Verantwortung gezogen werden!“, fordert Geschäftsführer Dr. Steffen Gruuber.
Inzwischen gibt es auch im schleswig-holsteinischen Bereich der Nordsee immer mehr Totfunde. Die insbesondere auf Sylt angespülten Basstölpel stammen wohl nicht nur von britischen Kolonien, sondern auch von Helgoland. Auf der Hochseeinsel wurden nun ebenfalls mehrere dutzend tote Basstölpel und Brandseeschwalben gefunden. „Eine Laborbestätigung auf Vogelgrippe ist noch offen, aufgrund der Gesamtlage gehen wir jedoch davon aus, dass die Vögel an der Vogelgrippe gestorben sind“, so Gruber.
Auf der Vogelschutz-Hallig Norderoog im Nordfriesischen Wattenmeer werden täglich 10-20 neue tote Seevögel gefunden. Der große Verlust von Alt- als auch Jungvögeln ist laut den Naturschützer:innen insbesondere für die stark betroffenen Seeschwalbenarten existenzgefährdend, da Seevögel im Gegensatz zu Singvögeln zwar deutlich älter werden, aber nur 1-2 Küken pro Jahr großziehen. Norderoog ist die wichtigste Brutkolonie der bedrohten Brandseeschwalben in Deutschland, hier brütet diese Seeschwalbenart erfolgreich seit über 100 Jahren. Ansonsten brüten Brandseeschwalben in Deutschland in nennenswerten Zahlen nur noch auf den ebenfalls betroffenen Inseln Minsener Oog, Baltrum und Neuwerk.
Im Hamburgischen Nationalpark sind die Seeschwalbenarten ebenfalls stark betroffen. Auf der Insel Neuwerk wurden bereits hunderte Kadaver von den Hamburger Behörden sowie einer Spezialfirma eingesammelt. Daher gelten dort ab sofort strenge Regeln: Hunde sind auf der gesamten Insel anzuleinen, Besucher:innen müssen auf den Wegen bleiben und beim Verlassen der Insel ihr Schuhe desinfizieren. Der Wanderweg durchs Ostvorland ist gesperrt. Die Vogelwart:innen des Vereins Jordsand bieten jedoch weiterhin naturkundliche Führungen auf der restlichen Insel an.
Auf der Nachbarinsel Scharhörn sowie an anderen Orten an der Küste häufen sich zudem die Funde von toten Austernfischern. Laboruntersuchungen stehen hier zwar ebenfalls noch aus, aber sehr wahrscheinlich handelt es sich um eine weitere Art, die von der Vogelgrippe betroffen ist. „Austernfischer fressen nicht nur Muscheln und Würmer, sondern auch Eier und andere tierische Organismen “ so der Ökologe Gruber. „Sie scheinen sich nun ebenfalls wie zuvor Eiderenten und Möwenarten auch mit Vogelgrippe zu infizieren. Die Vogelgrippe weitet sich also immer weiter über viele unterschiedliche Vogelarten aus.“
Für das Niedersächsische Wattenmeer schätzt die Nationalparkverwaltung, dass 20 Prozent der Brandseeschwalben-Bestände bereits an dem H5N1-Virus umgekommen sind, was mehr als tausend Tieren entspricht. Bei Flussseeschwalben und Lachmöwen gibt es auch Totfunde, jedoch zahlenmäßig weniger.
An der Nordseeküste sammeln die örtlichen Behörden tote Tiere in Schutzkleidung und mit technischem Gerät ab. Diese werden dann im Labor auf Vogelgrippe untersucht. In Brutkolonien werden tote Tiere nicht entfernt, um die Vögel und ihre Küken während der aktuellen Brutzeit durch Störungen weiter zu belasten. Besucher:innen hingegen sollten tote Vögel nicht anfassen und Abstand zu sichtlich erkrankten Tieren halten. Hunde sollten zudem überall an der Küste angeleint und von Kadavern ferngehalten werden. An Vogelgrippe erkrankten Tieren kann man leider tiermedizinisch nicht helfen. Spaziergänger:innen, die einen toten Seevogel mit einem Metall- oder Farbring finden, sollten den Fundort an das nächstgelegene Infozentrum melden. Wissenschaftler:innen können anhand der Ringe die Flugwege der Vögel nachverfolgen und somit die Ausbreitung der Vogelgrippe nachvollziehen.
Hintergrund Verein Jordsand:
Der „Verein Jordsand zum Schutz der Seevögel und der Natur e.V.“ ist einer der ältesten Naturschutzverbände in Deutschland. Seit 1907 schützen die haupt- und ehrenamtlichen Vogelwart:innen die letzten Rückzugsräume für Seevögel und Meeressäuger. Zurzeit betreut der Naturschutzverein rund 20 Schutzgebiete in den Bundesländern Hamburg, Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein. Neben der naturschutzfachlichen Betreuung im Auftrag der Bundesländer sowie von vereinseigenen Naturflächen, forscht der Verein in Verbundprojekten im Bereich Seevogelschutz und bietet naturkundliche Führungen sowie Umweltbildungsprogramme für Kinder und Jugendliche an.
Kontakt für inhaltliche Nachfragen:
Dr. Steffen Grüber, Geschäftsführer des Vereins Jordsand
E-Mail: steffen.gruber@jordsand.de
Telefon: 04102 - 20 03 32
Hinweis für Redaktionen:
Das Foto der toten Rotfüßigen Seeschwalbe auf Norderoog darf nur unter der Fotografenangabe „Jannis Dimmlich/Verein Jordsand“ zur Berichterstattung über die Vogelgrippe an der Nordseeküste verwendet werden.
Jetzt Spenden für den Seevogelschutz, um ein Artensterben zu verhindern:
Der aktuelle Vogelgrippeausbruch während der Brutzeit hat bereits tausende Seevögel an der gesamten Nordseeküste getötet. Sollte das aktuelle Massensterben weitergehen, könnten Teilpopulationen bereits stark gefährdeter Arten wie die Brandseeschwalbe in Deutschland für immer verschwinden! Größere und stärker verteilte Populationen können Krankheiten und Seuchen wie die Vogelgrippe besser überstehen. Helfen Sie mit Ihrer Spende, damit wir erfolgreiche Artenschutzprojekte ausweiten können!