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Resolution der Mitgliederversammlung des Vereins Jordsand zum Lebensraum Tide-Elbe

Die Mitgliederversammlung hat am 26.11.2022 nach einer Aussprache zum Thema mehrheitlich ihre Zustimmung zu dieser Resolution gegeben. Vor dem Hintergrund der schon jahrelang anhaltenden Diskussion um die Zukunft des Hamburger Hafens und des Lebensraums Tide-Elbe im Rahmen der 9. Elbvertiefung, hat sich im letzten Jahr eine zunehmend kontroverse Auseinandersetzung um den durch Tidal-Pumping anfallenden Schlick und dessen Verklappung in der öffentlichen Diskussion entwickelt. Der Verein Jordsand ist ganz speziell mit den vom ihm betreuten Schutzgebieten Neuwerk, Nige- und Scharhörn durch die angekündigten Schlickverklappungen an der Grenze des Hamburger Nationalparks als Teil des Welt­natur­erbe Wattenmeer direkt betroffen.

 

Der Verein Jordsand…

1. lehnt eine Verklappung von Elbschlick im Bereich von hochsensiblen Zonen des Weltnaturerbes grundsätzlich ab. Es geht dabei nicht nur um Schadstoffe, sondern auch um eine Veränderung der Sedimentstrukturen im Watt. Nahrungsgemeinschaften und -kaskaden können betroffen sein, wie z.B. der Sandaal, Hauptnahrungsfisch der durch Vogelgrippe bedrohten Brandsee­schwalbe. Der sogenannte „Umgebungsschutz“ für FFH-Gebiete gilt auch bei Verklappung außerhalb eines Schutzgebietes, wenn dieses davon negativ betroffen ist.

 

2. fordert die Bundesländer Hamburg, Schleswig-Holstein und Niedersachsen dazu auf, für die Tide-Elbe Renaturierungskonzepte zu entwickeln, um damit der Verpflichtung der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) nachzukommen, die Ästuare bis 2027 in einen „guten ökologischen Zustand“ zu bringen. Deutschland hat diese Richtlinie verpflichtend unterschrieben, bemüht sich jedoch nicht, diese für die Elbe umzusetzen. Die Außenelbe hat sich von einem „unbefriedigenden ökologischen Zustand“ 2009 in einen „schlechten ökologischen Zustand“ 2021 verändert. Die sonstigen Bereiche sind ebenfalls in einem mäßigen bis schlechten ökologischen Zustand. Selbst mit drastischen Maßnahmen ist die Deadline von 2027 für das Erreichen eines „guten Zustands“ fast nicht mehr einzuhalten. Die Renaturierungskonzepte müssen zwangsläufig teilweise Rückbaumaßnahmen der Fahrrinnenvertiefungen beinhalten, sonst wird das „Tidal Pumping“, das Transportieren von Unmengen von Schlick Richtung Hamburg, nicht zu verhindern sein. Damit wäre gleichzeitig eine zunehmend bedrohliche Hochwassersituation bei sich beschleunigendem Meeresspiegelanstieg für Hamburg abgemildert. Der inzwischen diskutierte Bau eines Sperrwerks über die Elbe wäre die nächste kostenintensive Folge einer ungehemmten Vertiefungsstrategie. Ebenso müssen wieder Retentionsräume und Flachwasserzonen geschaffen werden, die durch Verschlickung ihren Wert verloren haben. Angesichts des momentanen Zustands der Elbe erscheint das wie eine Herkulesaufgabe, die dennoch mit hoher Priorität angegangen werden muss.

 

3. fordert Hamburg auf, endlich eine Hafenkooperation der norddeutschen Seehäfen aktiv anzugehen und dabei auch Probleme voll beladener, tiefgehender Schiffe mit dem Tiefwasserhafen JadeWeserPort in Wilhelmshaven logistisch abzustimmen. Dieser Gedanke darf nicht bei Lippenbekenntnissen stehen bleiben.

 

4. begrüßt grundsätzlich einen geplanten Krisengipfel, wie er jetzt für den 9.12.2022 geplant ist, bei dem sich Vertreter:innen der Nordländer zur Konfliktlösung auf Wunsch Hamburgs treffen sollen. Dies kann aber nur dann sinnvoll sein, wenn damit Alleingänge von Hamburg zur Schlickverklappung beendet werden und mindestens Niedersachsen und Schleswig-Holstein sowie auch die Naturschutzverbände in eine gesamtheitliche Problemlösung einbezogen werden. Einfache Forderungen an den Bund, seiner Verpflichtung nach für ausreichend Fahrrinnentiefe in der Elbe zu sorgen, egal was es koste, sind nicht zielführend, um den Konflikt zu lösen.

 

Hintergründe der Resolution:

Die Hamburger Hafenbehörde (HPA) plant ohne eine ordentliche Genehmigung ab 01.01.2023 die Verklappung von gefahrstoffbelastetem Elb- und Hafenschlick direkt vor der Vogelschutzinsel Scharhörn, die ein Teil des UNESCO Weltnatur-Erbes Hamburger Wattenmeer ist.

 

Die Schlickmengen aus dem Hamburger Hafen und der Unterelbe werden immer größer, die bisherigen Elbvertiefungen haben die Verschlickung der Elbe nicht reduziert, sondern gefördert. Durch die erhöhte Wassertiefe steigt der Tidenhub und beschleunigt das sogenannte Tidal Pumping, das Flussaufwärtstransportieren von großen Mengen Schlicks. Ein durch den Klimawandel bedingter geringerer Oberflächenabfluss (fehlende Niederschläge/Dürre in den Sommermonaten) verstärkt das ursächliche Phänomen lediglich. Zusätzlich sind die Ränder der unnatürlich stark vertieften Fahrrinne nicht lagestabil, so dass diese immer wieder abbrechen und nachrutschen: noch mehr Sediment fällt an. Die Aussage, dass wenige Jahre nach dieser Elbvertiefung das „Tidal-Pumping“ von Schlick nachlässt, ist fraglich. Die Schlickmengen nach der vorletzten Elbvertiefung 1999 sind erst viele Jahre später gravierend angestiegen, warum sollte das jetzt anders sein? Das Ästuar verhält sich inzwischen wie ein Tidebecken und nicht mehr wie eine Flussmündung. Um das Sediment langfristig aus dem sehr dynamischen System der Elbe zu entnehmen, soll nun in der Elbmündung verklappt werden. Dies geschieht in einem Zipfel Hamburger Gebietes in der Bundeswasserstraße Elbe. Direkt angrenzend an den Nationalpark Hamburgisches Wattenmeer und das Weltnaturerbe Wattenmeer. Für diese FFH-Gebiete gilt der sogenannte „Umgebungsschutz“: Auch wenn außerhalb eines FFH-Gebietes eine Maßnahme durchgeführt wird, die negativ auf das Gebiet wirkt, ist diese nicht erlaubt.

 

Durch permanentes Baggern, Wasserinjektion und Verklappen, kombiniert mit zunehmenden Strömungen steigt die Trübung der Elbe permanent an. Das ist vermutlich die Hauptursache für Sauerstofflöcher, kollabierende Fisch­bestände und Tiergruppen, die von ihnen leben. Proben von Flussseeschwalbeneiern aus dem Elbtrichter weisen teilweise immer noch extreme Werte von Schadstoffen aus der Elbe auf, es waren in manchen Jahren die höchsten im gesamten Nordseebereich.

 

Die jetzt geplante Schlickverklappung vor Scharhörn ist ein Resultat der Hamburger Hafenentwicklung, die die Zukunft des Hafens nach wie vor in einem „mehr“ von Containern sieht. Die Dynamik der Elbe lässt sich technisch so nicht einfangen; anstatt auf die naturverträgliche Bewirtschaftung der Elbe und der Entwicklung des Hamburger Hafens immer wieder mit Elbvertiefungen zu reagieren, wäre es aus unserer Sicht viel sinnvoller, z.B. ein Verbund-Hafenkonzept, wie mit dem bereits bestehenden Tiefseewasserhafen JadeWeserPort in Wilhelmshaven, zu entwickeln. Die Notlage Hamburgs war absehbar. Nun im Alleingang die Schlickmengen anderswo, wie hier vor Scharhörn zu entsorgen, findet in der breiten Bevölkerung, den Ländern Schleswig-Holstein und Niedersachsen keine Zustimmung, wie sich auch aus in den immer lauter werdenden Reaktionen entnehmen lässt. Niedersachsen erwägt rechtliche Schritte gegen Hamburg, Schleswig-Holstein ist auf dieser Basis nicht mehr bereit Hamburg die Verbringung des Schlicks an der Tonne E3 genehmigungsrechtlich zu erlauben.

 

Der Verein Jordsand steht zu dem Hamburger Hafen, der aber dringend einer Neuausrichtung bedarf. Er begrüßt das am 2.11.22 der Bürgerschaft Hamburg vorgestellte Konzept „Das kann Hamburg! Was es braucht für die Zukunft der Stadt“. Prof. Michael Göring, Nikolas Hill und Prof. Henning Völpel haben eine Idee der Neuausrichtung des Hamburger Hafens entwickelt. „Weniger Hafen mehr Wissenschaft“ lautete die mediale Umschreibung. Es ist längst überfällig, den Standort „Hamburger Hafen“ für die Entwicklung umweltfreundlicher Schiffs­antriebe, in Kombination mit dem ehemaligen Kohlekraftwerk Moorburg zur „grünen Wasserstoff­technologie“ usw. zu nutzen. Die Kompetenzen Hamburgs mit der logistischen Nähe zu Schiffsbau und Technischen Universitäten bieten einen idealen Standort für Weiterverarbeitung und höhere Wertschöpfungen. Den Autoren des Konzeptes schwebt eine Hightech-Kompetenz vor, ein „Boston an der Elbe“. Ein solches Prinzip lässt sich einfacher mit einem natürlichen Ästuar in Einklang bringen als eine problematische Tiefwasserrinne. Es wäre eine planbarere Zukunft für den Hamburger Hafen als diese starke Abhängigkeit eines sich rasant verändernden Welthandels.

 

Pressekontakt für inhaltliche Nachfragen:

Dr. Steffen Gruber

Geschäftsführer des Vereins Jordsand

E-Mail: steffen.gruber@jordsand.de

Telefon: 04102 - 20 03 32

 

Weiterführend Informationen:

Mehr zum Thema Elbvertiefung und Schlickverklappung finden Sie hier.

Kontakt

Verein Jordsand zum Schutz der Seevögel und der Natur e. V.

Bornkampsweg 35

22926 Ahrensburg

Tel.: 04102 32656

Email: info@jordsand.de


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